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«Sprachassistenten bauen Barrieren ab»

Siri, Alexa und Co. erleichtern unser Leben über Chancen und Grenzen dieser Technologie

 

Im Churer «House of Voices» geht es, wie der Name sagt, schnell um Stimmen. Aber nicht um menschliche. Hier, an der Rätusstrasse 2, hat sich das Churer Marketing- und Technologieunternehmen «Speed U Up» eingerichtet. Und dieses will in Sachen digitale Sprachassistenten tatsächlich alles unter ein Dach bringen. Ein Kommunikationsdach. Die Expertinnen und Experten wissen, was Siri oder Alexa können – und was eben (noch) nicht. Im Interview erzählen Account Director Ueli Stauffacher und die IT-Entwickler Flurin Carigiet und Alexander Efa von ihrer Faszination und warum Sprachassistenten die digitale Kommunikation revolutionieren werden.

Wie nutzen Sie Ihre Sprachassistenten?

Ueli Stauffacher: Meiner ist ziemlich langweilig. Er macht nur das Licht an oder aus und lässt den Staubsaugerroboter fahren.

Flurin Carigiet: Privat brauche ich sie tatsächlich auch für Smart-Home-Funktionen. Licht, Storen und so weiter.

Alexander Efa: Bei mir ist das ein bisschen anders. Ich teste regelmässig, wie gut Sprachassistenten funktionieren. Auch gerne kleine Automatisierungstätigkeiten zu Hause. Navigation, Einkaufslisten führen oder beispielsweise fragen, wie das Wetter heute wird. 

Das Wetter könnte man ja einfach selber nachschauen.

Ueli Stauffacher: Der grundlegende Unterschied ist, dass ich nichts mehr in der Hand haben muss. Ich kann mit irgendeinem der intelligenten Geräte im Haushalt oder im Büro kommunizieren. Es fliesst viel natürlicher. Ich muss so auch nicht erst überlegen, was ich eintippe.

Alexander Efa: Diese ganzen Inputmodalitäten – Klicks, Swipes, Tastaturbefehle – sind neue Erfindungen. Mit Sprache wachsen wir auf. Sie definiert uns. Über kurz oder lang werden wir daher aufhören, zu klicken und alles über Sprache zu steuern.

Es geht also intuitiver und schneller. Welche Chancen haben Sprachassistenten darüber hinaus?

Flurin Carigiet: Sprachassistenten bauen Barrieren ab. Zum Beispiel ältere Menschen, die mit einem Smartphone nicht zurechtkommen, können einen Sprachassistenten bedienen, weil sie sich in ihrer natürlichen Sprache unterhalten. Der grösste Vorteil ist aber tatsächlich, dass die Sprachassistenten die gewünschten Informationen viel schneller finden als wir. Sie verkürzen die Abläufe ungemein.

Ueli Stauffacher: Ja genau, sie vereinfachen komplexe Prozesse. Wenn ich im Internet etwas bestelle, habe ich eine starre Eingabemaske. Ich muss in vorgegebener Struktur und Reihenfolge meine Daten eingeben. Anders, wenn ich in Sätzen spreche. Da ist es egal, in welcher Reihenfolge die Informationen kommen.

Alexander Efa: Und man kann das alles in seiner eigenen Sprache tun. 

Verschiedene Sprachen sind im Kanton Graubünden ohnehin ein grosses Thema. Gibt es einen Sprachassistenten, der Romanisch spricht? Oder Dialekt versteht?

Alexander Efa: Momentan noch nicht. Amazon fängt mit Alexa gerade an, den Schweizer Markt aufzumischen. In wenigen Jahren dürfte es so weit sein, dass man mit Sprachassistenten auch im Dialekt sprechen kann.

Ueli Stauffacher: Es stört wohl keine Schweizerin, keinen Schweizer, wenn sie die Antwort auf Hochdeutsch erhalten, aber es stört sie, wenn sie nicht verstanden werden. Und da sind wir bei einem Punkt, der sich mit der Nutzung erschliesst. Sprachassistenten lernen mit jedem Mal, wenn jemand in ein Mikrofon spricht. Wenn sich die Nutzung solcher Systeme verbreitet, werden sie auch immer mehr verstehen. Bei Rätoromanisch wird das wohl am längsten dauern, weil es eine eigene Sprache ist, die nur wenige Menschen sprechen.

Wo kommen die Systeme an ihre Grenzen?

Alexander Efa: Was sie noch nicht können, sind echte natürlich-sprachliche Dialoge zu führen, wie wir das gerade tun. Aber auch das ist nur eine Frage der Zeit.

Flurin Carigiet: Grundsätzlich können Sprachassistenten alles, was ein Computer kann. Die Sprache ist dabei ein alternatives Eingabemittel. Die Möglichkeiten sind riesig, weil alles miteinander verknüpft ist. Grenzen setzt nur die eigene Kreativität.

Das Thema Datenschutz wird oft kritisiert. Wie sehen Sie das?

Alexander Efa: Zu Recht. Das ist ein grosses Problem, aber nicht nur bei Sprachassistenten, sondern bei sämtlichen Technologien, die wir nutzen. Das vor allem, weil wir es in Europa verpasst haben, uns selbst technologisch aufzustellen und alles aus den USA importieren. Deswegen diktieren die USA dann auch, zu welchen Bedingungen das passiert. In dem Boot sitzen wir jetzt leider und kommen nur raus, wenn wir beginnen, die Entwicklung zurückzuholen. Kürzlich hat Amazon gesagt, dass sie es möglich machen wollen, sämtliche persönlichen Daten, die ihre Sprachassistenten aufnehmen, löschbar zu machen. Ob sie das tatsächlich tun, ist eine andere Frage. 

Flurin Carigiet: Ein Sprachassistent arbeitet mit einem Mikrofon. Das heisst, es ist mit der notwendigen kriminellen Energie grundsätzlich möglich, das zu missbrauchen. Wer das bei einem Sprachassistenten schafft, kann aber auch problemlos ein Smartphone oder einen Computer hacken.

Gibt es ethische Überlegungen, die bei der Entwicklung von Sprachassistenten wichtig sind? Gibt es ein «zu menschlich»?

Flurin Carigiet: Irgendwann werden wir an dem Punkt sein, wo das relevant wird. Aber davon sind wir noch weit entfernt und kämpfen eher damit, dass Sprachassistenten noch zu wenig menschlich reagieren.

Ueli Stauffacher: Das sind Grundsatzfragen beim ganzen Thema künstliche Intelligenz. Was zeichnet einen Menschen aus? Was unterscheidet echte Intelligenz von künstlicher? So weit sind wir mit der technischen Leistungsfähigkeit nicht. Aber diese Fragen werden kommen. 

Alexander Efa: Den perfekten Mensch-Roboter gibt es tatsächlich noch nicht. Jedoch geht es in die Richtung, dass man Emotionen zum digitalen Assistenten aufbaut.

In welchen Bereichen werden in der Alpenregion bereits Sprachassistenten genutzt? Und was ist künftig denkbar?

Ueli Stauffacher: Für New York und Wien haben wir zum Beispiel eine sprachbasierte Stadtführung mit einer AR-Brille geschaffen. Im Vergleich dazu ist die Zahl der Anwendungen hier noch sehr gering. Der Kanton Graubünden ist eine weisse Landkarte. Das Potenzial ist aber mannigfaltig, besonders im Tourismus.

Flurin Carigiet: Genau. Es ist sehr spannend, wenn man Touristinnen und Touristen in ihrer eigenen Sprache adressieren kann. Es geht aber auch um Informationen, die durch einen Sprachführer weitergegeben werden können – analog einem Stadtführer, einer Stadtführerin. Grundsätzlich kann alles, was man telefonisch erledigt, durch Sprachassistenten unterstützt beziehungsweise ersetzt werden. Dazu gibt es schon effektive Bemühungen. 

Wagen wir einen Blick in die Kristallkugel: Wie weit ist die Technologie in 20 Jahren?

Flurin Carigiet: Ich gehe davon aus, dass sie allgegenwärtig sein wird. Sie wird unser Leben massgeblich beeinflussen und unterstützen. Und einen hohen Bequemlichkeitsfaktor haben. 

Alexander Efa: Es wird ein ganzes Ökosystem rund um Sprachassistenz aufgebaut. Zu Hause spreche ich mit Smartspeaker und Waschmaschinen. Vor der Bäckerei kann ich mit dem Handy die Geräte zu Hause steuern. Ich fahre zur Arbeit, mit meinem Fahrzeug, das mit mir kommuniziert. Auf der Arbeit zeichnen Sprachassistenten Besprechungen auf und erstellen automatisch To-do-Listen und verschicken Reminder. Wir werden diese digitalen Assistenten jederzeit in der Tasche haben. Und sie werden uns die mühsamen Dinge im Leben erleichtern.

Flurin Carigiet: Wobei das mit dem In-der-Tasche-haben zu relativieren ist. Diese Technologie braucht nur ein Mikrofon, einen Lautsprecher und eine Internetverbindung. Das kann man überall einbauen. Zum Beispiel auch in einem Ohrring.

Ueli Stauffacher: Die Unabhängigkeit der Hardware ist wirklich interessant. Letztendlich können wir mit einem Mini-Stück Hardware auf eine unglaublich riesige Cloud zugreifen und haben immer ein Grossrechenzentrum dabei.

Speed u up

«Speed u up» hat sich Digitalisierung und Kommunikation im Alpentourismus auf die Fahne geschrieben. Seit 2015 in Innsbruck und seit 2020 im Joint Venture mit Somedia am Standort in Chur, werden im Tourismus und Mobilitätsbereich innovative Projekte und Kampagnen entwickelt: von Marketing-Lösungen, Voice und Augmented Reality bis zu Performance oder Social Media Kampagnen. An beiden Standorten arbeiten derzeit 25 Mitarbeitende. «Wir bieten umfassende Lösungen an, um erfolgreich digital zu kommunizieren. Besonders im Bereich Voice Application wollen wir Pionierleistungen erbringen», sagt Account Director Ueli Stauffacher.

www.speed-u-up.ch