Musik aus Technik
«Bum Chak Chak. Bum Chak Chak. Bum Bum Chak». Wer in der letzten Woche der Schulferien die Fachhochschule Graubünden (FHGR) in Chur betritt, staunt nicht schlecht. Heisse Rhythmen tönen aus dem Zimmer. Nanu? Ist hier ein Tonstudio eingezogen? Von wegen. Musik wird aber momentan trotzdem produziert. Dies anlässlich der Techniktage der FHGR. Eine Veranstaltungsreihe, die von der Fachhochschule seit über zehn Jahren im August durchgeführt wird. Schülerinnen und Schüler im Alter zwischen zwölf und fünfzehn Jahren können an diesen Tagen ausprobieren, ob ihnen technisches Arbeiten Spass macht. Zum ersten Mal wurde dieses Jahr unter anderem auch der Workshop «Ein Tag in der Music Production» angeboten.
Es ist zehn Uhr. Konzentriert sitzen die Teenager hinter ihren Laptops. Fünf Mädchen und drei Jungs. Alle tragen sie grosse Kopfhörer. Klar. Die jungen Musikerinnen und Musiker müssen ja hören, was sie tun. Sie produzieren und arrangieren. Hauen in die Tasten. Mit flinken Fingern. Vor sich die App «Song Maker». Sie löschen. Wiederholen. Lassen es stehen. Sind zufrieden. Oder auch nicht. «Es ist Zeit», ruft Kursleiter Serge Djoungong und klatscht laut in die Hände. «Ich möchte hören, was für eine Melodie ihr kreiert habt.» Jetzt gilt es ernst. Für die Jugendlichen eigentlich kinderleicht. Trotzdem. Das grösste Problem haben sie tatsächlich damit, ihrem Musikstück einen Namen zu geben. Doch der Titel ist Pflicht. Er soll den Charakter des Musikstücks widerspiegeln. Das Gefühl der jungen Produzentinnen und Produzenten. Und schliesslich bekommen es alle hin. Es geht los.
Das erste Stück heisst «Heiliges Klavier». Alle hören gebannt zu. «Das ist ein guter Hip-Hop-Beat», findet der Kursleiter. Der nächste Titel heisst «3». «Das hört sich ein bisschen an wie ein Intro», so Serge Djoungong. Weiter geht es mit «Schrecklich». «Ich mag den Rhythmus. Aber das Stück dürfte mehr Melodie haben. Es tönt wie AC/DC», so der Kursleiter. Das nächste Stück heisst «Fehler». «Megacool.» Serge Djoungong zeigt sich begeistert. «Und wo sind die Fehler?», fragt er. «Eigentlich gibt es in der Musik gar keine Fehler. Man kann alles machen.» Es folgt «Ameisen». «Ein interessanter Groove», findet der Kursleiter. «Vielleicht ein bisschen monoton.» Dennoch. Es ist viel Kleines zu spüren. Das passt zu Ameisen. Der letzte Titel heisst «Spaziergang». «Sehr schön und sehr speziell», lobt Serge Djoungong. «Ein bisschen wie eine filmische Musik.»
So oder so. Der Workshop zeigt es auf. Brauchte es früher noch grosse Studios mit riesigen Mischpulten, vielen Mikrofonen, Verkabelungen und Schalldämmungen, um Musik zu produzieren, sieht es heute anders aus. Musikproduzenten und Sängerinnen arbeiten heute vermehrt mit ihren Computern im eigenen Heimstudio. Auch Kursleiter Serge Djoungong hat ein Studio in Zürich. Und er ist gelernter Toningenieur. «Wir benutzen heute sehr einfache Applikationen, um in die Musik einzusteigen», erklärt er. «Das gilt für Kinder wie für Erwachsene.» Der Toningenieur ist aber auch Musiker. «Was wir hier machen, ist Musik», betont er denn auch. «Und nicht Tontechnik.» Und so gibt es im Workshop viel Spielzeit und wenig Theorie. Auch in der Technik gibt es eben viel Platz für Kreatives.
Das bestätigt auch Projektleiterin Claudia Widmer. «Unser grosses Ziel ist es, Technik spielerisch näherzubringen», betont sie. «Technik ist eigentlich gar nicht schwierig. Sie macht sogar richtig Spass.» Das sollen die Jugendlichen an den Workshops lernen und entdecken. Und das gilt übrigens für Jungs und für Mädchen. Denn eines ist klar: Technik ist nicht nur etwas für Jungs. Von diesem klassischen Denken möchte die FHGR wegkommen. Mehr noch. Die Techniktage sind vor zehn Jahren eigentlich nur für die Mädchen ins Leben gerufen worden. Als Girls Days. Mittlerweile sind auch Jungs zugelassen. Und das ist gut so. Heute ist es ein bunter Mix. Für jede und jeden etwas mit dabei. So waren neben «Music Production» noch «Informatik erleben», «Architektur», «Raketenbau», «Bauingenieurwesen» und «Virtual Reality» im Angebot.
Zurück zur Musikproduktion. Zurück zu Serge Djoungong. Der Kursleiter kniet in der Mitte des Raums. Neben sich einen grossen Verstärker und viele Kabel. Die Kids sitzen rundherum an ihren Pulten. Die Kopfhörer auf. Vor sich die Laptops. Wieder produzieren und arrangieren sie. Hauen in die Tasten. Mit flinken Fingern. Vor sich die App «Rhythmus». Jetzt geht es nicht mehr um die Melodie. Jetzt geht es um den Takt. Die Jugendlichen kreieren. Sie löschen. Wiederholen. Lassen es stehen. Sind zufrieden. Oder auch nicht. Nun noch schnell einen Namen finden für das Musikstück. Fertig. Es geht los. «Bum Chak Chak. Bum Chak Chak. Bum Bum Chak».
Die Audio-Dateien der Songs, die die Jugendlichen im Workshop erarbeiteten, stammen von Tobias Soraperra, VJ bei TV Südostschweiz.