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Mehr als ein Osterhase

Über die wilden Verwandten von Hase und Huhn

Alle Jahre wieder. Ostern steht vor der Tür. Die Zeit von Hase und Huhn. Pardon. Von Schoggihase und Schoggiei. Da könnte glatt vergessen werden, was Hase und Huhn eigentlich sind. Tiere nämlich. Und sie haben Verwandte. Wilde Verwandte. Und diese zieren nicht einfach die überfüllten Ostergestelle in den Läden. Nein. Sie leben frei in ihrer ureigenen, weiten Tierwelt. Fernab des Osterkonsums. Einer Welt, die langsam verloren geht.

Es ist Montagmorgen, der erste im April, in Chur. Auf der Geschäftsstelle der gemeinnützigen Organisation Pro Natura Graubünden dreht sich alles um die Natur. Um ein gesundes Ganzes. Ein funktionierendes Ökosystem. «Hase und Huhn gehören dazu», betont Monika Jung, Umweltingenieurin und Projektleiterin bei Pro Natura Graubünden. «Und die Verwandten auch.» Die da wären? Der Feldhase und der Schneehase, zum Beispiel. «Der Feldhase ist der typische Hase», so die Fachfrau. «Der sieht doch aus wie der Osterhase», findet sie und schmunzelt. Sein Fell ist braun und seine Ohren sind sehr lang. Er ist ein Einzelgänger. Und er steht früh auf eigenen Beinen. Wie sein Name schon sagt, lebt er auf dem Feld. In offenen Lagen, auf Ackergebiet, im Kulturland. Er braucht strukturreiches Gebiet, wo er sich verstecken kann. Denn er hat viele Feinde und ist jagdbar. Und er ist ein Fluchttier. Wenn er davonrennt, schlägt er seine typischen Haken. Und er verlässt sich auf seine Tarnung. Darauf verlässt sich auch der Schneehase. Deshalb macht er im Winter kurzerhand einen Fellwechsel und färbt sich weiss. Das macht Sinn. Denn er lebt hauptsächlich ab 1500 Metern aufwärts. Und somit jeweils eine lange Zeit im Schnee. Nicht zu verwechseln sind die Hasen mit den Kaninchen. Das sind die Haustiere. Kleiner als die Hasen. Und mit kürzeren Ohren und Hinterbeinen. Ursprünglich sind sie natürlich auch wild. Wildkaninchen. 

Zurück zu den Hasen. Leider stehen sie auf der Roten Liste. Das heisst, sie gelten als gefährdet. Nach und nach geht ihnen der Lebensraum verloren. Verantwortlich dafür sind die Klimaerwärmung, die Störungen durch den Tourismus und die Landwirtschaft. «Je intensiver die Landwirtschaft, desto schlechter für die Tiere», gibt die Umweltingenieurin zu bedenken.

Und wie ist das denn nun mit den Hühnern? «Ein Huhn ist nicht einfach ein Huhn», bringt es Monika Jung gleich auf den Punkt. «Ein Huhn hat viele verschiedene Verwandte.» Allein in Graubünden sind sechs Arten zu Hause. Haselhuhn, Alpenschneehuhn, Birkhuhn, Auerhuhn, Steinhuhn, Wachtel. Das Eier legende Haushuhn stammt aber nicht etwa von diesen Verwandten ab. Nein. Sein Vorfahre ist das südostasiatische Wildhuhn. Das Bankivahuhn, auch Gallus Gallus genannt. Eine Hühnervogelart aus der Familie der Fasanenartigen. Die wild lebende Stammform des Haushuhns. 

Und wie leben unsere gefiederten Freunde? «Sie leben in unterschiedlichen Höhen und Habitaten», erklärt Monika Jung. Zuoberst wohnen das Alpenschneehuhn und das Steinhuhn. Ersteres wechselt im Winter sein Gefieder wie der Schneehase sein Fell. Eher etwas tiefer, im Bereich der Waldgrenze, lebt das Birkhuhn. Wobei man hier sagen muss, dass das Männchen dieser Gattung weitaus hübscher ist als das Weibchen. Das Haselhuhn und das Auerhuhn leben im Wald. Und auch hier ist vor allem der Auerhahn eine äusserst imposante Erscheinung. Leider gelten auch diese Tiere als gefährdet. Sie brauchen offene, lichte Wälder aber auch Altbäume für die Balz. Mittlerweile sind viele Wälder zu dicht. Vor allem für das Auerhuhn. Ihm fehlt auch die Zwergstrauchschicht. Das Auerhuhn ernährt sich nämlich gerne von Heidelbeeren. Kommt dazu, dass Hühner sehr störungsempfindlich sind. «Leider ist das Auerhuhn besonders stark gefährdet», bedauert die Umweltingenieurin. «Ein Drittel des gesamten schweizweiten Bestandes befindet sich hier in Graubünden. Da tragen wir schon eine Verantwortung.» 

Wie auch immer. Schoggihase oder Feldhase. Das hat alles miteinander zu tun. Und es geht weit über das Essen hinaus. Es geht um das Zusammenleben mit diesen Tieren. Um Rücksichtnahme. Um bewussteren Konsum. «Jeder kann etwas tun für die wilden Verwandten von Hase und Huhn», ist Monika Jung überzeugt. Was konsumiere ich an Ostern? Diese Frage sollte sich jeder Mensch stellen. Wer regionale Bioprodukte kauft, unterstützt den Lebensraum des wilden Hasen. «Es können nicht alle im Garten Hühner halten», ist sich die Fachfrau bewusst. «Aber es können alle darauf achten, wo sie die Eier kaufen.» So oder so. Weniger ist mehr. Das ist gesünder. Macht mehr Freude. Und gibt ein besseres Gefühl. 

«Der Lebensraum hat sich stark verändert», so die Naturliebhaberin. «Und für die Tierwelt verschlechtert.» Um dem entgegenzuwirken, setzt sich die Pro Natura intensiv für gefährdete Tiere ein. Unter anderem auch im Kulturland mit der «Aktion Hase & Co.». «Wir engagieren uns für mehr Vielfalt auf Wiesen, Weiden und Äckern», erklärt Monika Jung, die das Projekt in Graubünden und Glarus leitet. Sie blättert in einem Prospekt. Und wer hoppelt da auf dem Bild davon? Der Feldhase. Dieser Teufelskerl. «Er ist der Kopf dieser Aktion», erzählt Monika Jung und schmunzelt. «Das Maskottchen.» Was für ein toller Job. Aber den hat der Osterhase ja auch. Bleibt die Gretchenfrage: Ist der Osterhase wirklich ein Feldhase? Das ist nämlich nicht erwiesen. Behaupten doch viele Kinder felsenfest, sie hätten den Osterhasen schon gesehen. Und er sei mit Sicherheit weiss. Glauben Sie es ihnen, liebe Mütter und Väter. Der Osterhase könnte nämlich durchaus auch ein Schneehase sein.

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