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Hinter der Bühne

Vom langen Warten auf den grossen Auftritt

«Ich bin heute um 2 Uhr nachts ins Bett gegangen und um 7 Uhr morgens wieder aufgestanden», betont die bald elfjährige Mia und verdreht die Augen. Dann steigt sie in den grossen Car. Müde? Von wegen. Jetzt geht es nach St. Gallen. In die Tonhalle. Auf die grosse Bühne. Wie es dahinter aussieht, das soll die Journalistin in den folgenden Stunden erfahren. Sie steigt nämlich auch gleich ein, in den grossen Car. An jenem Montagnachmittag, dem Ersten im April, vor dem Primarschulhaus Rheinau in Chur. Und macht sich mit rund 100 Primarschülerinnen und Primarschülern auf die Reise.

Eine Reise, welche die Kinder vor drei Jahren schon einmal angetreten haben. Schon damals stehen sie als Rheinauchor mit Pippo Pollina, dem sizilianischen Cantautore aus Palermo, auf der grossen Bühne. Mit dem zweisprachigen Projekt «Süden II». Die beiden Konzerte in Chur und Zürich werden zum Erfolg. Und die Geschichte geht weiter. Auch beim neuen Projekt mit Pippo Pollina und dem Palermo Acoustic Quintet geht es um die gelebte Mehrsprachigkeit. Etwas, was die Schülerinnen und Schüler aus dem Primarschulhaus Rheinau in Chur täglich tun. Die Mehrsprachigkeit leben. Das Primarschulhaus Rheinau ist nämlich eine zweisprachige Schule. Hier findet der Unterricht schon ab dem Kindergarten je zur Hälfte auf Deutsch und Italienisch statt. 

Es ist 15 Uhr. Der Car verlässt Chur in Richtung St. Gallen. Die Sonne scheint. Im hinteren Teil werden ein paar Vorhänge gezogen. Die Kinder sind erstaunlich ruhig. Trinken aus der Flasche, hören Musik über die Kopfhörer, schauen auf ihr Handy. Vielleicht wissen sie auch einfach schon, wie es geht. Waren sie doch tags zuvor, am Sonntag, im Volkshaus Zürich auf der Bühne. Und am Samstag vor einheimischem Publikum im Theater Chur.

Es ist 16.30 Uhr. Ankunft in St. Gallen. Die Kinder steigen aus und verschwinden in den Gemäuern der Tonhalle. Treppen rauf. Treppen runter. Nach links. Nach rechts. Und durch die Türe. Willkommen in den Katakomben hinter der grossen Bühne. Und jetzt? «Das hier ist unser Reich», betont Musiklehrer Giancarlo Bianchi. «Hier wird gegessen. Sich die Zeit vertrieben.» Und noch zwei weitere, kleine Räume stehen den Kindern zur Verfügung. Mit Toiletten. Wer möchte, kann auch ein bisschen nach draussen gehen. Auf den nahe liegenden Sportplatz. Selbstverständlich in Begleitung einer Lehrperson. «Nach der Hauptprobe gibt es in einem der separaten Räume ein kleines Kino», so der Musiklehrer. Ein lautes Raunen geht durch den Raum. Die Kinder sind zufrieden. Und Giancarlo Bianchi ist es auch. Gemeinsam mit Cäcilia Weber und Döma Walter hat er die musikalische Leitung unter sich. Für die Projektorganisation sind Benedikt Fässler und Ursina Schwarz-Kuoni verantwortlich. Und das Management mit Pippo Pollina untersteht Anina Fromm Lopez. Seit Wochen schon wird für die grossen Auftritte fleissig in der Aula des Primarschulhauses Rheinau geprobt. Grösstenteils während des Schulunterrichts. Bei Bedarf auch während der Freizeit. Die Teilnahme ist für die Kinder freiwillig. Mitmachen können Schülerinnen und Schüler der 3. bis 6. Primarklasse. Und warum dieses Projekt? «Es geht um einen selbstverständlichen und lustvollen Umgang mit den Sprachen», sind sich die Verantwortlichen einig. Und: «Dieses unvergessliche Erlebnis für die Kinder fördert ihr Selbstwert- und Zusammengehörigkeitsgefühl.»

Es ist 17 Uhr. Auf der grossen Bühne sind Saxofonklänge zu hören. Schlagzeug. Klavier. Gitarre. Soundcheck mit Pippo Pollina und dem Palermo Acoustic Quintet. Auch der Rheinauchor macht sich auf den Weg zur Hauptprobe. Durch die Türe. Nach rechts. Nach links. Treppen runter. Treppen rauf. Und auf die Bühne. Die Kinder stellen sich auf. Alle tragen sie dasselbe königsblaue T-Shirt. Die Hauptprobe ist gelungen. Als Belohnung gibt es Unterschriften von Pippo Pollina und Band. Und dann geht es wieder in die Katakomben hinter der grossen Bühne. Treppen rauf. Treppen runter. Nach links. Nach rechts. Und durch die Türe.

Es ist 18.30 Uhr. Zeit für Kino. Entspannung. Ruhe vor dem Sturm. Ein letzter Schluck Wasser. Ein letztes Mal auf die Toilette. Ein heimlicher Blick in das Foyer. Die Tonhalle füllt sich. 

Es ist 20 Uhr. Das Konzert beginnt. Und dann, nach der Pause, ist es endlich so weit. Die Schülerinnen und Schüler machen sich bereit. Durch die Türe. Nach rechts. Nach links. Treppen runter. Treppen rauf. Und auf die Bühne.

Es ist 21.30 Uhr. Pippo Pollina spricht zum Publikum. Auch er trägt nun das königsblaue T-Shirt. «Das Projekt mit den cento ragazzi des coro della scuola bilingue Rheinau Coira liegt mir sehr am Herzen», ruft er ins Mikrofon. Tosender Applaus. Es folgen die Lieder «Terra», «Questa Nuova Realtà» und «Camminando». In Italienisch, Deutsch und Khurertütsch. Standing Ovations. Eine Zugabe. Und ein Scherz von Pippo Pollina: «Als ich heute meiner Schwester in Palermo am Telefon erzählt habe, dass ich am Abend mit 100 Kindern im Alter zwischen neun und 13 Jahren auftreten werde, hat sie gesagt, das sei unmöglich. So viele Kinder seien viel zu unruhig und zu laut. Ich habe dann zu ihr gesagt, doch, das geht. Es sind ja keine italienischen Kinder.» Lautes Lachen. Und ein Kompliment für die schweizerischen Kinder. Sie verlassen die Bühne. Still und leise. Mehr oder weniger. Und machen sich auf die Heimreise.

Es ist 23.30 Uhr. Der grosse Car steht wieder vor dem Primarschulhaus Rheinau in Chur. Die Kinder steigen aus. Müde und glücklich. Morgen dürfen sie ausschlafen. Sie müssen erst am Nachmittag in die Schule. Doch, die Tournee ist noch nicht zu Ende. Im Mai geht es nach Luzern und Bern. Mit Übernachtung. Bis dahin hat der Unterricht die Schülerinnen und Schüler wieder fest im Griff. Auf Deutsch und Italienisch.

Die letzten zwei Konzerte mit Pippo Pollina und dem Rheinauchor finden am Samstag, 14. Mai, im KKL Luzerner Saal Luzern, und am Sonntag,
15. Mai, im Casino Bern, statt. 

Website Rheinauchor 

Website Pippo Pollina

DREI FRAGEN AN…

Im Anschluss an das Konzert hat die 13-jährige Sabrina noch ein kleines Interview mit Valentina, Finn und Mia geführt.

Was gefällt dir am besten?

Valentina, 13: Mir gefällt, dass wir das alles erleben können.

Finn, 11: Der Applaus!

Mia, 10: Das Singen, weil es mir Spass macht.

Wieso machst du mit?

Valentina: Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen und mit den andern zu singen.

Finn: Weil es eine einmalige Chance ist.

Mia: Weil es cool ist.

Chur, Zürich oder St. Gallen?

Valentina: St. Gallen, weil der Saal so schön beleuchtet ist. Und Chur, weil das Publikum richtig abgegangen ist.

Finn: Chur wegen der Bühne. Und Zürich, weil es dort am meisten Leute hatte.

Mia: St. Gallen, weil die Halle am schönsten war. Und Zürich, weil dort die meisten Zuschauer waren.