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Freitag ist Backtag

Mit Slow-Food Nordbünden beim Brot backen in Trin Digg

Rauchgeruch zieht durch das Dorf Trin und erinnert an vergangene Sommergrilladen. Abgesehen vom Lachen der Kinder, die sich auf dem Schulhausplatz austoben und ein paar wenigen vorbeifahrenden Autos ist es ganz still hier oben. Bei der Postautostation Trin Portalavanda warten bereits die ersten beiden Teilnehmerinnen des heutigen Anlasses. Und eine Gruppe von weiteren Frauen und Männern, die sich fürs Backen aber auch für eine regionale Ernährung interessiert, steigt aus dem Postauto und freut sich auf das gemeinsame Backen. 

Der fünfzehnminütige Spaziergang über die steile Strasse hinunter nach Trin Digg entwickelt sich zu einer fröhlich offenen Runde, in der viele Gespräche entstehen. Bei der Ankunft schaut Erica Rada bereits lachend aus dem Backhaus mit grauen Steinmauern und rotem Ziegeldach, um ihre Gäste zu empfangen. «Bei mir hier in der Backstube siezen wir uns nicht, und wer sich nicht daran hält, muss draussen bleiben», sagt die fröhliche Bäckerin augenzwinkernd. Na dann sollten wir beim «Du» bleiben. Rund zehn Slow-Food Mitglieder besuchen heute Erica in ihrem Backhaus in Trin Digg. Darunter Priska Inauen, ein Vorstandsmitglied von Slow Food. «Unsere Regio-Gruppe organisiert vier bis fünf Anlässe jährlich, um Produzentinnen und Produzenten von Lebensmitteln zu besuchen», erzählt sie. Sie interessiere sich für die Lebensmittelproduktion und schätze es, mit Gleichgesinnten unterwegs zu sein.

Jeweils freitags wird bei Erica eingefeuert. Wie auch heute. Seit 40 Jahren betreibt sie das Backhaus und freut sich sichtlich über das Interesse ihrer Gäste, die sie nun hinein in die kleine Backstube führt. Alle gehen über den roten Fliesenboden. Die dunkle eiserne Ofentüre ist noch geschlossen. Langstielige Brotschaufeln warten in der Ecke des kleinen Raums auf ihren Einsatz. Russ ziert die alten weissen Gemäuer. Und auf einem Holzgestell warten selbst gebackene Brote darauf, gegessen zu werden. 

Ursprünglich war das Backhaus im Besitz der Ems-Chemie und diente als Back- und Waschhaus. 1983 wurde es renoviert und der grosse Holzofen eingebaut. Grundmauern und Dach sind beibehalten worden. «Damals kamen die alten Frauen vom Dorf neugierig hierher, um zu sehen, was denn in diesem Häuschen vor sich geht», erzählt Erica, die inzwischen bekannt ist. Denn immer freitags ist sie mit unterschiedlichen Gruppen am Einfeuern und Backen ist. Warum Freitag? Um aufs Wochenende frisches Brot bereitzuhaben natürlich. 

Bevor es losgeht, wird nachgefeuert, um die notwendige Temperatur im Ofen zu erreichen. Währenddessen plaudert Erica aus dem Nähkästchen. Den Brotteig solle man nicht mehr als fünf bis sechs Stunden aufgehen lassen. Sonst falle er zusammen. «Aber», so Erica, «auf jeden Fall kann der Teig am Vorabend zubereitet werden, er muss einfach im Kühlschrank gelagert werden.»

Eine grosse Menge an Brotteig liegt auf dem Tisch bereit. Erica hat bereits gestern Abend Wurzelbrotteig geknetet und über Nacht im kalten Backhaus ruhen lassen. Und genau daraus werden nun fleissig Brote geformt. Die leidenschaftliche Bäckerin zeigt, wie das geht, während das Feuer knistert und ein wohlig warmes Gefühl auslöst. Erica erzählt und beantwortet Fragen. «Ja, klar, wenn man auf das gebackene Brot klopft und es hohl klingt, dann kann es aus dem Ofen genommen werden», sagt sie. Sie als gekonnte Brotbäckerin muss das aber natürlich nicht mehr. Sie hat definitiv das Gefühl dafür nach vierzig Jahren. 

Eine Katze streicht ums Haus und streckt neugierig ihr Näschen ins kleine Haus. Hände werden draussen mit dem Wasser aus dem Schlauch von den Teigresten befreit und die geformten Brote zum Backen bereitgelegt. Ob der Teig ein Geheimrezept ist? «Nein, nein», winkt Erica ab und öffnet das Fenster. Langsam hat sich der Rauch im Häuschen etwas angestaut und beisst in den Augen. 

«Wir probten fünf Jahre lang, bis wir Einfeuern und Backen ganz genau hinbekommen haben», erzählt Erica, die pensionierte Kindergärtnerin, die während ihrer Berufsjahre jeweils am Morgen früh vor Arbeitsbeginn im Backhaus stand. «Schon allein die grossen Temperaturunterschiede zwischen den Jahreszeiten machten das Ganze zu Beginn nicht einfach», erzählt sie. Ausserdem sei das Gewölbe rund um den Ofen mit Sand aufgefüllt. Und wenn dieser im Winter gefriere, brauche alles etwa mehr Zeit und Geduld. Heute, an diesem warmen Tag, reiche eine Stunde Einfeuern und eine Stunde Backen völlig aus. 

Mehr als vier Backrunden täglich müssten nicht sein, da die Wärme im Ofen mit der Zeit immer mehr zunehme. Und für wie viele Brote reiche eine Runde, wird gefragt. «Wenn alle dieselbe Form haben und nicht zu gross sind, bringe ich 40 Brote hinein», sagt Erica und verteilt die grossen Glutstücke. Der Zug muss einen Spalt offenstehen, damit die Feuchtigkeit aus dem Ofen weichen kann und das Brot eine dicke Kruste bekommt. Sonst werde es pampig, sagt Erica.

Der Rauch entweicht dem Kamin und selbst in der freien Natur riecht es wie in einer Backstube. Während das Backgut im Ofen für eine Stunde aufgeht, werden regionale Köstlichkeiten genossen.

Erica steht erneut am Ofen. Mit langen Schaufeln befreit sie die vielen Brote aus der Hitze. Sie ist ganz in ihrem Element und präsentiert stolz die duftenden Ergebnisse, bevor es für ihre Gäste wieder heimwärts geht. Am Dorfbrunnen vorbei hinauf über die steile Kurve bis oben zur Postautostation wird geredet und gelacht. Und in den Taschen der Bäckerinnen und Bäcker duftet das frisch gebackene Brot.