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Fahrt mit Fellnase

Egal, wie lang der Arbeitsweg ist – man trifft unterwegs immer wieder auf skurrile Persönlichkeiten oder schnappt ungewollt kuriose Gesprächsfetzen auf. Von diesen Momenten berichtet diese Kolumne berichten.

Weil es in den letzten Pendlerkolumnen ausschliesslich um Menschen gegangen ist, widme ich diese hier nun den Vierbeinern.

Egal ob im Zug oder im Bus – man begegnet ihnen tagtäglich. Hunden. Wauwaus in jeder Grösse, Fellfarbe und Sabbermenge. Ich liebe Tiere und finde es jedes Mal aufs Neue herrlich, Tieren im ÖV zu begegnen. Natürlich sind diese nicht alleine unterwegs – besser nicht, denn das würde wohl behaupten, dass sich irgendwo einer selbstständig gemacht hat und alleine Gassi mit sich geht. Mit dabei ist bestenfalls immer das Herrchen oder Frauchen. Und diese haben immer mal wieder gewitzte Ideen, ihre Lieblinge zu transportieren.

Von so einer Begegnung möchte ich gerne schreiben: Wir befinden uns im Bus. Irgendwo zwischen Bahnhof Chur und Haldenstein, aber das ist ja eigentlich auch völlig egal. Ich sitze mal wieder in der Mitte des Busses, gleich neben den Steh- und Kinderwagenplätzen. Eine Frau steigt ein. Über der Schulter trägt sie eine knallpinke Umhängetasche. Und die ist nicht leer oder mit irgendwelchen Einkäufen gefüllt. Nein. Als sie sich umdreht, um sich an einer Stange festzuhalten, glotzen mich unerwartet zwei interessierte Hundeaugen an. Eines ist grün, das andere braun. Unbewusst breitet sich ein Grinsen auf meinem Gesicht aus. Damit habe ich jetzt nicht gerechnet. Der Hund ist nicht gerade klein. Ehrlich gesagt ist er ziemlich gross. Zumindest für eine Umhängetasche. Die Vorderpfoten hängen lässig aus der Tasche heraus und so auch der buschige Schwanz auf der Rückseite. Nun sehe ich auch, dass die knallpinke Tasche mit einer aus Strasssteinchen verzierten Krone beklebt ist. Genial! Ich grinse noch breiter und nicke dem Hund zu. Was der sich wohl gerade denkt? Na, hast du auch so eine coole pinke Tasche, in der du herumgetragen wirst? Leider nicht, denke ich und bin ein wenig neidisch. Muss schön sein.

Aber ist der nicht schwer? Er sieht auf jeden Fall schwer aus. Ich kenne mich mit Hunderassen nicht aus, weshalb ich den Gedanken verwerfe und mir stattdessen das Frauchen genauer anschaue. Man sagt, dass Hundebesitzer oder -besitzerinnen ihren Tieren ähnlich sehen. Ich lege den Kopf schräg und lasse meinen Blick zwischen Hund und Mensch hin- und herschweifen. Ja, doch. Eine gewisse Ähnlichkeit ist tatsächlich vorhanden. Ich verkneife mir ein Lächeln. Der Hund – ich wüsste gerne, wie er heisst – schaut sich während der Fahrt im Bus um und schnuppert mit seiner dunklen Nase. Wenn es sogar für uns Menschen manchmal streng im ÖV riecht, wie schlimm muss es dann für die Tiere sein? Na ja, immerhin kommt nicht ständig jemand hin, um ihn streicheln zu wollen.

Das meinte nämlich Cindy Ziegler, unsere Redaktionsleiterin, einmal zu mir, als wir zusammen Mittag gegessen haben. Da sie selbst Hundemama ist, weiss sie genau, wie das auch ablaufen kann. «Ich kann nicht einmal von A nach B reisen, ohne dass mich mindestens jemand auf Lilly (so heisst ihr Hund) anspricht. ‹Darf ich sie mal streicheln?› Das werde ich oft gefragt.» Ausserdem meinte sie: «Mit Lilly kann ich es vergessen, anonym zu reisen.» Sie verwirft zwar die Hände, lacht aber und wirkt nicht so, als wenn sie ein grosses Problem damit hätte. Lilly gehört nun mal dazu. Egal ob im Zug oder Bus.

Apropos Bus: Als die Frau mit der pinken Umhängetasche und dem Hund darin aussteigt, habe auch ich meine Haltestelle erreicht. Gemeinsam verlassen wir den Bus und warten, bis er weitergefahren ist. Die Frau setzt ihre Tasche ab und lässt den Hund aussteigen. Der Vierbeiner ist tatsächlich noch grösser, als ich ihn mir vorgestellt habe. Seine zweifarbigen Augen glänzen und er scheint froh zu sein, endlich aus der Tasche zu dürfen. Ich grinse ihn ein letztes Mal an. Und bevor ich mich umdrehe, um meinen Weg zu gehen, könnte ich schwören, dass er zurückgegrinst hat.