Der Nussknacker
Die Bündner Nusstorte oder das Birnenbrot. Zum Beispiel. Die Auswahl an feinem und süssem Gebäck in Graubünden ist gross. Besonders gross beziehungsweise wichtig ist dafür die Baumnuss. Die Walnuss. Oder wie auch immer man sie nennt. Die Nuss, die nicht nur aussieht wie ein Gehirn, sondern das Denkzentrum auch ausgezeichnet nährt. Doch dazu später mehr.
Und damit zurück zu Nusstorte und Birnenbrot. Regionale Spezialitäten, in denen erst seit Kurzem auch wirklich die Region drinsteckt. Wir gehen ein paar Jahre zurück. Vor zehn Jahren: Bündner Bäckereien bezogen fast alle Baumnüsse für ihre bekannten Backwaren aus Chile, den USA und aus Moldawien. Der Anteil an Schweizer Baumnüssen? Verschwindend klein. Schade, fanden ein paar innovative Landwirtinnen und Landwirte. Denn – in einigen Regionen in der Schweiz stimmen die klimatischen Bedingungen für den Anbau der Super-Nuss. Die findigen Nussfans aus unterschiedlichen Kantonen gründeten eine Genossenschaft, pflanzten rund 3500 Walnussbäume, schafften eine Knackmaschine an und bauten das Walnusskompetenzzentrum in der Bündner Herrschaft auf.
So weit, so gut. Und damit spulen wir wieder ein paar Jahre vor. Es ist ein Donnerstagmorgen im September. Ob Malans und den Obstbungert, zwischen denen man auch den einen oder anderen Nussbaum erspähen kann, läuft der Nussknacker auf Hochtouren. Und anders als im Märchen und dem dazugehörigen Ballett rumpelt und dröhnt es, anstatt dass klassische Musik das Geschehen untermalt. Johannes Janggen steht vor der einen der zwei grossen Maschinen. Er steigt eine metallene Treppe hoch und lugt von oben in das Monstrum. Dann steigt er wieder hinunter und fasst mit der Hand in eine graue Kiste. Feine Nusskerne und harte Schalenteilchen schiebt er auf seiner Handfläche hin und her. Er scheint zufrieden, als er sich zur anderen Maschine umdreht.
«Eine Nuss braucht viel ‘Schnuf’», meint der Produktionsleiter, der nun mit kritischem Blick die noch ganzen Baumnüsse betrachtet, die nach und nach in den riesigen Nussknacker geführt werden. Es gehe lange, bis man gute Ernten erzielen könne. Der Baum brauche Zeit. «Für mich ist jeder Baum etwas Spezielles. Und ökologisch einfach unglaublich wichtig», sagt er. Besonders angetan haben es ihm die Nussbäume. Vor allem wegen der Früchte, die sie tragen. «Die Walnuss ist eines der komplettesten Nahrungsmittel, die es gibt. Sie enthält gesunde Fette, wichtiges Eiweiss und viele gute Vitamine», weiss der Pionier. Womit wir wieder beim Brainfood wären.
Doch bis man die Nuss essen kann, braucht es einige wichtige Schritte. Erst muss sie reifen und dann geerntet werden. Von den Bäumen geschüttelt. Dann gewaschen und getrocknet. Das geschieht in den regionalen Zentren bei den Landwirtinnen und Landwirten in der Herrschaft, im Puschlav, im St.Galler Rheintal und in Luzern. Dann kommen die Nüsse nach Malans, zu Johannes Janggen und zum Nussknacker, den der Produktionsleiter aus Kalifornien mitbrachte. Die erste Maschine macht das Grobe. Sie knackt die Nüsse und trennt Kern von Schale. 60 bis 80 Prozent von der Schale wird bei diesem Prozess weggenommen. «Das funktioniert mit Luft, weil die Schale leichter ist wie der Kern», sagt Johannes Janggen.
Er zeigt mit der Hand auf die zweite Maschine. «Hier geschieht die Feinarbeit. Schale und Kerne haben fast die gleiche Farbe. Deshalb scannt eine Infrarotkamera die Beschaffung der Oberfläche und sortiert entsprechend aus», erklärt er, fast ein bisschen stolz. Am Schluss werde nochmals von Hand aussortiert und die Nusskerne verpackt.
200 Kilogramm Nüsse können so in der Stunde verarbeitet werden, 1,5 Tonnen am Tag. Theoretisch. Seit 2019 werden in Malans Nüsse im grossen Stil geknackt. Im ersten Jahr waren es 20 Tonnen. «Letztes Jahr gab es keine enorme Steigerung, aber da hat auch die Natur ihren Teil dazu beigetragen», fügt der Experte hinzu.
Und was meint er zum Endprodukt? Nusstorte oder Birnenbrot? «Ich habe die Walnuss so gerne, wie sie ist. Beim Süssen bin ich aber dann schon bei der Nusstorte», sagt er und lächelt. «Wenn man mal anfängt zu probieren, gibt es viel, was man aus der Nuss machen kann.» Und damit meint er wohl nicht nur das Backen, sondern eine ganze regionale Wertschöpfungskette, die über Nusstorte und Birnenbrot hinausgeht. Eine schöne Geschichte, die vom Malanser Nussknacker.