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Bewusst geniessen

Beim Tee mit Stephanie Bärtsch über Achtsamkeit und Kindheitsträume

Es ist ein grauer Dienstagmorgen. Der Nebel verhüllt nicht nur die Bergspitzen, sondern hat auch in der Stadt Einzug gehalten. Die Weihnachtsbeleuchtung ist noch nicht montiert, die Terrassenmöbel jedoch schon längst verräumt. Ein bisschen schwere Melancholie liegt in der Luft, ein leichter, kühler Wind zieht durch die Churer Gassen. Stephanie Bärtsch öffnet die Türe ihres kleinen Ladens an der Storchengasse. 

Es wird langsam warm. Die Gastgeberin lächelt und fragt: «Tee?» Was für eine Frage. In den Regalen an der graublauen Wand und auf dem langen Holztisch stehen viele Gläser mit Natur drin. Kräuter, Blumen, Gewürze, Tees. Stephanie Bärtsch öffnet eines der Gläser und riecht kurz am Inhalt. Sie überlegt und entscheidet sich um. Rasch ist sie im Hinterzimmer verschwunden. Dann kommt sie mit zwei henkellosen Tassen zurück. Darin heisses Wasser und je ein Pflanzenhalm mit gelben Blüten. «Griechischer Bergtee», erklärt sie und wärmt sich die Hände an der warmen Tasse.

Im Sommer hat Stephanie Bärtsch ihren Laden eröffnet. Und sich damit einen Kindheitstraum erfüllt. «Schon als Mädchen liebte ich Tee und den Teeladen bei uns im Dorf. Für mich war das immer ein Erlebnis. Die vielen Geschmäcker und Düfte. Im Teeladen war ich sogar lieber als in der Spielzeugabteilung», sagt junge Frau. Ihr Handy vibriert und piepst. «Entschuldige, das ist der Wecker für unsere Tees. Ich kann Tee nicht einfach so ziehen lassen. Wenn ich mir einen zubereite, dann richtig.»

Nach der Schule wird sie medizinische Praxisassistentin und arbeitet auf dem Beruf. «Tee habe ich natürlich auch in dieser Zeit getrunken. Und mir gesagt immer wieder, irgendwann eröffne ich einen Teeladen.» Vor einem Jahr wird aus irgendwann jetzt. Stephanie Bärtsch fährt mit dem Zug von einem Töpferkurs nach Hause. «Irgendwie hat es da Klick gemacht und ich fasste den Entschluss, es wirklich zu wagen.» Und dann geht es los. Die Suche nach einem geeigneten Lokal. Die Sortimentauswahl. Die Firmengründung. Die Ladeneinrichtung. «Am Anfang war da ein grosses Chaos in meinem Kopf», sagt die Teeliebhaberin. 

Mittlerweile hat sie das Chaos geordnet. So auch im Teeladen. Er ist minimalistisch eingerichtet. Klare Formen, Pastellfarben. Und ganz anders, wie man das aus den meisten Lädali kennt, die Tee verkaufen. «Teetrinken ist für mich ein Ritual. Es geht nicht nur um das Getränk an sich, sondern auch ums Drumherum. Um die Zubereitung, die Stimmung.» Und je nach Stimmung dürfe es dann auch ein anderer Tee sein. «Mein Morgen beginnt eigentlich immer mit einem Matcha. Das ist japanischer Grüntee in Pulverform, den man mit Wasser schaumig schlägt.» Stephanie Bärtsch präsentiert eine grosse Tasse, die mehr an eine kleine Schüssel erinnert und einen feinen Bambusbesen. Ein Blick durch den Laden zeigt viele unterschiedliche Teekannen. Verschiedenste Tassen. Manches Zubehör. «Ich trinke tatsächlich jeden Tee ein bisschen anders», meint sie, die Hände wieder an der wärmenden Tasse. «Aber immer sehr bewusst.»

«Ich bin durch und durch eine Geniesserin. Mir ist es wichtig, dass ich alles, was ich tue, achtsam mache.» So auch beim Tee. «Es ist schön, wenn man sich Zeit nimmt und nicht einfach lieblos einen Beutel ins Wasser wirft. Das ist besonders in unserer heutigen, schnelllebigen Welt besonders wichtig. Wenn ich Tee trinke, dann widme ich ihm in diesem Moment meine ganze Aufmerksamkeit.» Sprach’s und nimmt einen Schluck. Sie schliesst kurz die Augen. «Es gibt für jede Lebenssituation den richtigen Tee. Ganz egal, ob man glücklich oder traurig ist.»

Die Teeauswahl im Laden von Stephanie Bärtsch ist gross. Jeden Einzelnen davon hat sie selbst probiert und für gut befunden. «Wenn ich neue Mischungen kreiere, müssen Freunde und Familie ran. Aber es gibt Schlimmeres. Glaube ich zumindest», sagt die Inhaberin und grinst. Ihr sei der Kontakt mit Menschen wichtig. Die Beratung. Und, dass der Teekauf ein Erlebnis für alle Sinne sei. Dass man die Kräuter, Blumen, Gewürze und Tees sehen, riechen und schmecken könne.

Im Moment hat Stephanie Bärtsch wenig Zeit, um sich Zeit zu nehmen. Der Advent und der Weihnachtsmarkt stehen vor der Tür. «Es ist wirklich so, dass der Teekonsum im Winter, aber speziell im Dezember, zunimmt. Viele suchen dann etwas, um runterzufahren. Man nimmt sich im Allgemeinen mehr Zeit für Genuss und Entschleunigung. Man tut sich selbst und anderen Gutes. Tee ist deshalb auch ein wunderbares Weihnachtsgeschenk.» Die blauen Augen der jungen Frau strahlen. «Für mich ist mein Laden das grösste Geschenk. Hier will ich bleiben», meint sie, angesprochen auf ihre Zukunftspläne.

Die Ladentür geht auf. Ein älterer Mann tritt ein. Stephanie Bärtsch steht auf und bietet ihre Hilfe an. Er wolle mal schauen, was für Tees sie habe, meint er. «Ach, nur ein paar wenige», sagt sie mit einem Augenzwinkern. Gemeinsam gehen die beiden an den Regalen vorbei. Vorbei an Kräutern, Blumen, Gewürzen und Tees. Und irgendwie wirkt der graue, kalte Morgen plötzlich nicht mehr so grau und kalt. Ob das am wärmenden Tee im Bauch liegt?

www.teeladen-chur.ch