Skip to content

Der Vielseitige

Der Churer David Barandun ist kreativ auf verschiedenen Ebenen - ein Besuch

Wer David Barandun besucht, braucht Zeit. Viel Zeit. Ein offenes Ohr. Und ein offenes Herz. Der Churer erzählt gerne. Und das aus voller Seele. Kompetent und leidenschaftlich. Der Mann von der Brändligasse ist vielseitig. Ein Abenteurer. Ein Sammler. Schreiner. Goldschmied. Gärtner. Froschkönig.Hundeliebhaber. Und so wird, wer an seiner Türe klingelt, erst einmal freudig bellend und schwanzwedelnd begrüsst von Labrador Picasso und Basset fauve de Bretagne Filou. Schnell bringt der Hausherr die beiden Vierbeiner, den Misoxer und den Franzosen, zur Räson und bittet ins Haus. Herrchens Blick ist offen und interessiert. Die Hunde sind wachsam und neugierig. Sofort geht es die Steintreppe herunter. Und dann stehen wir auch schon in der Werkstatt. Und mitten in den Erzählungen des gelernten Möbelschreiners. «Das ist meine Schreinerei», stellt er vor. «Hier fertige ich Architekturmodelle, kreiere Lampen, Möbel und restauriere sie auch.» Momentan ist er daran, seine von Hand geschnitzten Bilderrahmen zu vergolden. «Ein wunderbares Handwerk», schwärmt er. Dann öffnet er die grosse Glastüre und bittet nach draussen. Nun sind es die Vögel, die fröhlich und lautstark grüssen. Und für David Barandun gibt es kein Halten mehr. Das ist sein Naturgarten. Sein Wildgarten. Sein Paradies. 

«Das ist ein uralter Apfelbaum», beginnt der Gartenliebhaber. «Den hat noch mein Grossvater gepflanzt.» Er macht sich auf den Spaziergang. Sportlich, in blauen Jeans und hellen Sneakers. Und einer dicken, rostbraunen Daunenjacke. Am Morgen ist es noch empfindlich kühl draussen, an diesem Dienstag Ende März. Es sei halt alles noch ein bisschen verwildert, ergänzt der Naturfreund beiläufig. Und es tönt wie eine Entschuldigung. Der Rundgang zeigt etwas anderes. Der Frühling drückt. Die Pflanzen möchten endlich aufwachen. Einige tun es schon. «Das ist eine wilde Aprikose», so David Barandun. «Und das ist eine Kumquat von der Grossmutter.» Er erzählt und erzählt. Wie und wann geschnitten wird. Wie und wann was wächst, oder eben auch nicht. Er zeigt auf ein Stück Wiese, die dereinst eine Blumenwiese werden soll. Und auf den Bärlauch am Boden. «Den hast du nur einmal», beteuert er schelmisch. «Dann hast du ihn immer.» Er liebt Steine und sammelt sie von überall her. Er liebt Bäume und lässt die abgestorbenen Strünke stehen. Ein Paradies für Vögel und Insekten. Hier nistet die Amsel. Dort hämmert der Specht. Und der Star feiert Hochzeit. Die Dohlen fliegen weit oben am Himmel. Die ersten Schmetterlinge tanzen durch die Luft. Wir spazieren. Wir lauschen und sehen dem Schauspiel zu. Wir bleiben stehen. Wir blicken gegen den Himmel und auf den Boden. Diese Vielfalt. Diese Schönheit. Es hört nie auf. Wir lassen die Seele baumeln. Erfreuen uns an den wärmenden Sonnenstrahlen. Filou und Picasso beobachten  uns.

David Barandun zückt sein Handy. «Was hier noch nicht blüht, blüht im Handy», sagt er fröhlich und lacht. Er scrollt durch die Bilder. Farbig, perfekt, schön. Es geht weiter. Vorbei an wilden Reben. An Laub-, Nadel-, Obstbäumen und Stauden. An Clematis Alpina. Vergissmeinnicht, Kamelien, Magnolien, Pfingstrosen und Rosen. An Flammenblumen, Malven, Weiden. In den Gewächshäusern leuchten die zitronengelben und orangefarbenen Zitrusfrüchte um die Wette. Und auch die Kamelien und der Oleander verweilen im Glashaus bei wohligen Temperaturen. Sie verdanken es mit ihren wunderschönen Blüten, die hier und da schon geöffnet sind. Es geht weiter. Und wir treffen auf einen Birnbaum, der eine 450 Jahre alte Sorte trägt. 

Und da sind wir auch schon bei den Zahlen. Ein kleiner Schnelldurchlauf. Der Garten ist 70 Jahre alt. Die 350 Topfpflanzen darin brauchen rund 160 000 Liter Wasser jährlich. Diese Menge liefert allein der Regen pro Jahr. Unter anderem werden 30 Rosensträucher gepflegt und 30 Kilogramm Zitrusfrüchte jährlich geerntet. Der Garten fordert rund 500 Arbeitsstunden im Jahr. Dies während sieben Tagen pro Woche. Gleichzeitig schneidet David Barandun im Auftrag noch 17 externe Gärten. Und im Sommer muss er seine Pflanzen in den Töpfen täglich eineinhalb Stunden lang wässern. Dazu hat er mitten im Garten unter dem Pizzaofen sein Wasser- und Regenwassersystem angeschlossen. So oder so. Der Garten gibt viel Arbeit. Und das gilt auch für den Wintergarten, der direkt ans Haus grenzt. Ein grosser Olivenbaum, Geranien in allen Farben, Kamelien, Zitronen. Es blüht. Es duftet. Und wieder zählt der Naturfreund haufenweise Pflanzennamen auf. Der Mann ist ein lebendes Lexikon. «Alles hat seine Geschichte», betont er. Und da sind sie wieder. Die Gärtnerleidenschaft. Und die Sammlerleidenschaft. Letztere hat ihn damals zu seinem Haus geführt. Er hat den Kamin gebaut, die Böden verlegt und die Küche betoniert. Der Hausherr erzählt und erzählt. Mittlerweile in der Stube bei Alpenkräutertee und Honig. Die Hunde schlafen friedlich. David Barandun ist mit vier Geschwistern im oberen Haus an der Brändligasse aufgewachsen. Umgeben von 4500 Quadratmetern Land. 1985 hat er mit dem Hausbau begonnen. Und seit 25 Jahren wohnt er mit seiner Frau hier. Dann zeigt der 65-Jährige seinen ersten, als Kind von Hand gefertigten Ring. Einen auf Draht zementierten Kristall. Der Blick auf seine kräftigen Hände verrät es. Es sind Hände, die sehr fein arbeiten können. Und Hände, die anpacken können.

Drei Stunden sind vorbei. David Barandun hat erzählt. Viel erzählt. Von seinem Tun als Schreiner, Goldschmied und Gärtner. Doch, warum Froschkönig? «Man nennt mich den Froschkönig vom Lürlibad, weil ich während der Laichwanderung jeweils überall Warntafeln aufstelle», verrät er. Mehr möchte er dazu nicht sagen. Eigentlich soll es hier nicht um ihn gehen. Ja, um wen denn dann? Der Vielseitige winkt ab. Die Leute könnten denken, er verzettle sich. Eine Frage bleibt. Woher um alles in der Welt nimmt David Barandun die Zeit für seine Aktivitäten? «Ganz ehrlich?», fragt er und lacht. «Ich weiss es nicht.» Er leint seine Hunde an. Zeit für einen Spaziergang.

David Barandun wird im Juni wiederum seinen Garten öffnen und im November seine selbstgefertigten Schmuckstücke ausstellen. Informationen unter www.david-barandun.ch. Anmeldung unter atelier@david-barandun.ch.

Neue Porträt-Serie: Gesichter und Geschichten

In unserem journalistischen Alltag begegnen wir immer wieder spannenden Persönlichkeiten. Menschen, die viel zu erzählen haben. Aber nicht immer gibt es einen aktuellen Anlass, um über diese Personen zu berichten. Dennoch sind ihre Geschichten es wert, erzählt zu werden. Und das wollen wir in unserer neuen Porträt-Serie «Gesichter und Geschichten» tun.

Immer in der letzten «Büwo»-Ausgabe im Monat werden wir eine interessante Persönlichkeit aus Graubünden porträtieren. Verschiedene Männer und Frauen, ein bunter Mix. Falls Sie übrigens einen spannenden Menschen kennen, den wir unbedingt mal porträtieren sollten, dann schreiben Sie uns eine
E-Mail an buewo@somedia.ch oder eine Whatsapp-Nachricht an

079 831 67 73.